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Herausforderungen und Chancen für Sachverständige in der Immobilienbewertung: Die neue Grundsteuer?


Die Reform der Grundsteuer ist ein heiß diskutiertes Thema, das die Immobilienbranche derzeit stark beschäftigt. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat kürzlich in zwei Beschlüssen (II B 78/23 und II B 79/23) entschieden, dass Steuerpflichtige unter bestimmten Bedingungen die Möglichkeit haben müssen, einen niedrigeren als den festgestellten Grundsteuerwert ihres Grundstücks nachzuweisen. Diese Entscheidungen werfen nicht nur grundsätzliche Fragen zur neuen Grundsteuer auf, sondern bieten auch spannende Perspektiven für Sachverständige in der Immobilienbewertung.

Die Grundsteuerreform und ihre umstrittenen Bewertungsregeln

Am 26. November 2019 wurde das Grundsteuer-Reformgesetz verabschiedet, das eine grundlegende Neubewertung von über 36 Millionen wirtschaftlichen Einheiten in Deutschland vorsieht. Diese Reform, bekannt als das sogenannte Bundesmodell, wird ab dem 1. Januar 2025 von den Gemeinden angewendet. Die Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer wird dabei durch die Feststellung des Grundsteuerwerts auf den 1. Januar 2022 als einheitlichen Hauptfeststellungsstichtag ermittelt.

Um die Bewertung der Vielzahl an Grundstücken zu bewältigen, setzt das Bundesmodell auf umfangreiche Typisierungen und Pauschalierungen. Diese pauschalen Bewertungssätze sollen die Automatisierung der Neubewertung erleichtern, können jedoch zu erheblichen Spannungen und Rechtsunsicherheiten führen.

Gerichtliche Zweifel und Möglichkeiten für Steuerpflichtige

Der BFH hat erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser pauschalen Bewertungssätze geäußert. In seinen Beschlüssen vom 27. Mai 2024 stellte er fest, dass Steuerpflichtige die Möglichkeit haben müssen, einen niedrigeren gemeinen Wert ihres Grundstücks nachzuweisen, wenn der festgestellte Grundsteuerwert das normale Maß erheblich übersteigt – konkret um mehr als 40 %. Diese Möglichkeit ist im Gesetz derzeit nicht vorgesehen, doch der BFH betonte, dass das Übermaßverbot hier greift und der Gesetzgeber den Steuerpflichtigen ein solches Recht einräumen müsse.

In den konkreten Fällen hatten die Antragsteller erfolgreich beim Finanzgericht beantragt, die Vollziehung der Grundsteuerwertfeststellungen auszusetzen, da ihre Immobilien augenscheinlich weniger wert waren als im Bescheid angegeben. Diese Entscheidungen machen nun Druck auf den Gesetzgeber, diese Nachweismöglichkeit gesetzlich zu verankern, so dass durch individuelle Gutachten die Grundsteuerlast reduziert werden kann.

Warum Gutachten bald unverzichtbar werden

Die aktuellen BFH-Entscheidungen betonen die Notwendigkeit, individuelle Immobilienbewertungen für einen Nachweis eines niedrigeren Grundsteuerwertes zu ermöglichen, um gegen pauschale Festsetzungen vorzugehen wie es auch bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer gem. § 198 BewG vorgesehen ist. Dies stellt eine erhebliche Chance für Sachverständige dar, denn:

  1. Individuelle Nachweise sind gefragt: Eigentümer werden zunehmend Gutachten benötigen, um den realen Wert ihrer Immobilien nachzuweisen und die festgesetzten Werte anzufechten. Dies schafft eine große Nachfrage nach detaillierten und fundierten Bewertungen sowie Gutachten.
  2. Erhöhte Auftragseingänge: Da die Pauschalierung oft nicht die tatsächlichen und rechtlichen Eigenschaften sowie die individuelle Lage und den Zustand einer Immobilie widerspiegelt, werden viele Eigentümer Gutachten einholen müssen, um ihre Steuerbescheide zu überprüfen und gegebenenfalls korrigieren zu lassen.
  3. Langfristige Beratungsbedarfe: Die Reform und ihre potenziellen Auswirkungen auf die Grundsteuerbelastung werden nicht nur kurzfristige, sondern auch langfristige Beratungsbedarfe erzeugen. Die neue Grundsteuer sieht eine Neubewertung aller Immobilien in Deutschland alle sieben Jahre vor.

Chancen und Verantwortung für Sachverständige

Für Sachverständige in der Immobilienbewertung können sich durch die Grundsteuerreform eine Vielzahl neuer Geschäftsmöglichkeiten ergeben. Sie haben die Chance, ihre Expertise in einem zunehmend komplexen rechtlichen Umfeld zu beweisen und sich als unverzichtbare Partner für Immobilieneigentümer zu etablieren.

Fazit: Nach den beiden BFH-Entscheidungen ist nun die Gesetzgebung gefordert, die Grundsteuerreform entsprechend nachzujustieren. Am einfachsten wäre dies mit der Möglichkeit des Nachweises eines geringeren Wertes – wie es auch der BFH in seinen Beschlüssen beschreibt. Die aktuelle Rechtsunsicherheit und die Forderungen nach individuellen Nachweisen bieten eine enorme Möglichkeit für Sachverständige in der Immobilienbewertung. Mit der richtigen Expertise und einem tiefen Verständnis der neuen Grundsteuerregelungen werden sie nach der vom BFH geforderten Gesetzesanpassung ihren Kunden helfen können, faire und angemessene Steuerbescheide zu erlangen. Die Zukunft verspricht viele neue Aufträge und Chancen – gegebenenfalls nur für öffentlich bestellte oder entsprechend zertifizierte Sachverständige, wie es der Gesetzgeber und die Finanzverwaltungen für den Nachweis des niedrigeren gemeinen Wertes nach § 198 BewG und für den Nachweis einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer nach § 7 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. dem BMF-Schreiben vom 22.02.2023 vorsieht.